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Welcome-Center für Flüchtlinge

von www.Familien-Blickpunkt.de am 22/04/2015 - 09:36 |

Themenfelder: Leben und Gesellschaft

Welcome-Center für Flüchtlinge

Kreis Offenbach - Der Kreis Offenbach wird ab sofort einen Teil der ankommenden Flüchtlinge in einem speziellen Welcome-Center empfangen und auf das Leben in Deutschland vorbereiten. An der sechsmonatigen Schulung können jeweils 30 Flüchtlinge, die einen Anspruch auf SGB-II-Leistungen haben, teilnehmen; beispielsweise ehemalige afghanische Hilfskräfte der ISAF- beziehungsweise der NATO-Streitkräfte, sogenannte „UNHCR-Flüchtlinge“ oder Asylbewerber, deren Verfahren in Deutschland nach maximal sechs Monaten positiv beschieden wurde.

„Im Welcome Center wollen wir den Menschen intensiv vermitteln, wie das Leben in Deutschland aussieht, sei es mit Blick auf den Alltag oder auf das politische System mit seinen Regeln“, betont der Sozialdezernent des Kreises Offenbach, Carsten Müller. „Ich halte das für dringend notwendig. Denn die Flüchtlinge, die zu uns kommen, befinden sich in völlig unterschiedlichen Situationen; etwa was die Familie, das Alter, den kulturellen oder religiösen Hintergrund betrifft; aber auch in puncto individuelle Bildung, Grad der Alphabetisierung sowie Deutschkenntnisse. In der Regel werden die Teilnehmer zwischen 16 und 50 Jahre sein, über keinerlei oder nur sehr geringe Deutschkenntnisse verfügen; nur eine rudimentäre Vorstellung von Deutschland haben und hierzulande über so gut wie keinerlei familiäre oder soziale Bindungen verfügen. Allerdings kann ein 29-jähriger Akademiker und Arzt aus Syrien mit seiner Frau und zwei Kindern genauso unter den Flüchtlingen sein, wie ein 45-jähriger alleinstehender Bauer aus der Nähe von Mosul. Sie alle wollen wir im Welcome-Center an die Hand nehmen und gezielt auf das Leben in Deutschland vorbereiten.“ Vorrangiges Ziel des „Welcome-Centers“ ist, dass sich die Flüchtlinge besser in ihrer neuen Heimat zurechtfinden und ihre Chancen auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz steigen. Mittelfristiges Ziel ist die Aufnahme einer Arbeit.

Da das Beherrschen der deutschen Sprache in Wort und Schrift eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt ist, sollen die Flüchtlinge so schnell wie möglich einen Sprach- und Integrationskurs besuchen. Für die Dauer dieser Kurse werden die Maßnahmen des Welcome-Centers unterbrochen.

Im Welcome-Center selbst geht es um verschiedenste Themenkomplexe. Etwa um die Fragen: Warum habe ich mich für Deutschland als neue Heimat entschieden? Was weiß ich über Deutschland? Welches Deutschlandbild haben die Teilnehmer? Was erwarte ich von Deutschland? Was erwarte ich von meinen Nachbarn? Was will und kann ich selbst für eine gute Nachbarschaft tun? Welche Wünsche habe ich?

Mit Neuankömmlingen wird über erste Eindrücke und Vorurteile ebenso gesprochen wie über die Orientierung am Wohnort. Wie komme ich von A nach B? Wo ist der nächste Bäcker, wo der nächste Arzt? Gibt es ein Internetcafé? An wen wende ich mich, wenn ich Fragen zu Behörden oder zu Schulen habe? Wo kann ich günstig einkaufen? Wo gibt es Sozialkaufhäuser, einen günstigen Friseur, wo Sportvereine oder Theater? Müller: „Diese Fragen werden unter anderem auf gemeinsamen Ausflügen unter dem Motto: „Wo wohne ich, was gibt es dort?“ beantwortet werden!“

Weitere Schwerpunkte sind das Gesundheits- und Schulsystem sowie der Bereich Umwelt und Ökologie. „Hier geht es unter anderem um Mülltrennung, Wasserverschwendung oder Strom sparen! Aber auch ganz alltägliche Dinge“, so Müller weiter, „werden besprochen. Etwa wie man gesund kocht, wo man den Sperrmüllkalender bekommt, welche internationalen Führerscheine noch wie lange gültig sind, dass es in Deutschland einen TÜV sowie eine Hausordnung gibt und GEZ-Gebühr gezahlt werden muss, wenn man nicht explizit davon befreit ist!“

Ein wichtiger Themenbereich seien außerdem die Frauenrechte und das Frauenbild, die Religionsfreiheit sowie der säkulare Staat, machte der Sozialdezernent deutlich. Hier würden auch kulturelle Unterschiede herausgearbeitet und klar auf die Prämisse des Grundgesetzes hingewiesen. Auch allgemeine Umgangsformen und Gepflogenheiten würden intensiv erörtert.

Die Mitarbeiter des Welcome-Centers versuchen die Flüchtlinge außerdem auf die Besonderheiten und Anforderungen der deutschen Arbeitswelt wie Pünktlichkeit, Arbeitsschutz oder den Mindestlohn vorzubereiten und erläutern die Funktion von Gewerkschaften oder wie man sich korrekt krank meldet. Müller: „Auch die Frage, ob man während der Arbeitszeit beten darf wird erörtert. Darüber hinaus stellen wir verschiedene Berufs- und Arbeitsfelder vor, die für die Teilnehmer möglicherweise infrage kommen, überprüfen die vorhandenen EDV-Kenntnisse und erstellen Bewerbungen!“

Das Welcome-Center ist zunächst bis Ende Januar 2016 geplant. „Sollte sich die Maßnahme bewähren, ist zunächst eine Verlängerung bis März 2017 möglich“, sagte Müller. „Jeder Flüchtling wird bis zu sechs Monate Schulungen oder Einzelcoachings im Welcome-Center durchlaufen. Das Welcome Center selbst wird durch den Kooperationspartner Starthaus GmbH betreut und ist in der Löwenstraße 4-6 in Offenbach beheimatet. Die drei zuständigen Mitarbeiter im Welcome-Center sprechen Farsi, Arabisch, Französisch, Spanisch oder Englisch.“

Die Kosten der Maßnahme belaufen sich bis einschließlich Januar 2016 auf 166.000 Euro. Die Finanzierung erfolgt zu einhundert Prozent aus Mitteln des Landes Hessen im Rahmen des Ausbildungs- und Qualifizierungsbudgets 2015.

„Wir sind froh, dass das Land diese Kosten übernimmt“, machte Müller deutlich. Angesichts immer weiter steigender Flüchtlingszahlen fordert der Sozialdezernent allerdings noch mehr Unterstützung von Bund und Land. Müller: „Kreise, Städte und Gemeinden bräuchten, wie von Wirtschaftsminister Gabriel versprochen, zusätzliches Geld zur Unterbringung der Asylbewerber.“ Hier dürfe es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Die Bundesregierung stehe hier ganz klar im Wort. Vor allem, weil das Asylrecht zuerst einmal Bundesrecht, sei, betonte Müller.

Aber auch das Land Hessen sieht der Kreisbeigeordnete beim Thema Flüchtlinge in der Pflicht. So habe etwa der Landesrechnungshof festgestellt, dass Hessen in der Vergangenheit gerade einmal die Hälfte der anfallenden Kosten übernommen habe, so Müller abschließend. „Das muss sich künftig ändern. Denn die Kreise und Kommunen werden die Aufgabe, immer mehr Flüchtlinge unterzubringen, auf Dauer ohne entsprechende finanzielle Ressourcen schlicht nicht mehr stemmen können!“

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