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Neue Maßstäbe bei der Umsetzung des Bundesinfektionsschutzgesetzes

von www.Familien-Blickpunkt.de am 03/12/2011 - 15:45 |

Themenfelder: Leben und Gesellschaft

Neue Maßstäbe bei der Umsetzung des Bundesinfektionsschutzgesetzes

Wiesbaden (hsm) - Die Hessische Hygieneverordnung ist Anfang dieser Woche von der Hessischen Landesregierung beschlossen worden und wird nach Veröffentlichung im Staatsanzeiger voraussichtlich Anfang Dezember in Kraft treten. „Mit der Hessischen Hygieneverordnung setzen wir bundesweit neue Maßstäbe bei der Umsetzung des Bundesinfektionsschutzgesetzes. Das Wohl und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten in Hessen stehen dabei an erster Stelle“, betonte der Hessische Sozialminister Stefan Grüttner in Wiesbaden. Das Bundesinfektionsschutzgesetz war von der Bundesregierung in diesem Jahr geändert worden und fordert von den Ländern, personelle und organisatorische Strukturen im Bereich Hygiene in medizinischen Einrichtungen verbindlich festzulegen.

„Ziel der Hessischen Hygieneverordnung ist vor allem die Vermeidung von Infektionen, die im Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme durch Hygienemängel auftreten sowie die Verhinderung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern“, so Grüttner. Von besonderer Bedeutung sei das Vorgehen gegen multiresistente Erreger (MRE), welche die Medizin vor immer größere therapeutische Herausforderungen stellen, da diese Erreger immer schwieriger oder gar nicht mehr durch Antibiotika zu therapieren sind. Mit gesetzlichen Vorgaben und verstärkten Kontrollen der Aufsichtsbehörden allein sei es jedoch nicht getan, machte der Sozialminister deutlich. „Die Bereitschaft der Verantwortlichen, hygienebedingte Risiken und das Vorkommen von Krankenhausinfektionen in der eigenen Einrichtung anzuerkennen und eigenverantwortlich nach Ursachen und Bedingungen für ihre Entstehung zu suchen, ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Prävention dieser Infektionen sowie deren Folgeschäden“, betont Grüttner. „Die Patientinnen und Patienten in Hessen müssen in allen stationären oder ambulanten medizinischen Einrichtungen, die sie aufsuchen, gleich gute hygienische Verhältnisse antreffen.“

Die Hessische Hygieneverordnung stellt konsequente Anforderungen an die Hygienekenntnisse und die Personalausstattung aller in den Gesundheitseinrichtungen beteiligten Berufsgruppen. Sie legt für die jeweiligen Einrichtungen den Mindestbedarf an Hygienefachpersonal in transparenter Weise fest, sodass dieser auch von den Bürgerinnen und Bürgern nachvollziehbar ist. Zudem haben alle Einrichtungen die erforderliche Fortbildung des Hygienefachpersonals sowie des übrigen medizinischen Personals sicherzustellen. Die Beschäftigten sind für die Hygiene-Fortbildungen freizustellen.

Zum Hygienefachpersonal zählen Fachärztinnen und -ärzte für Krankenhaushygiene, Hygienepflegekräfte und Hygieneingenieure. Sie beraten die Leitung der jeweiligen Einrichtung sowie das medizinische Personal in allen Angelegenheiten der Hygiene. Hygienebeauftragte Ärztinnen und Ärzte sorgen dafür, dass die Hygienevorschriften im Alltag der Patientenversorgung umgesetzt werden.

Derzeit besteht bundesweit ein Mangel an qualifiziertem Hygienefachpersonal. „Wir sind in Hessen auf einem guten Weg, hier eine Lösung zu finden“, sagte Grüttner. Zur Ausbildung der Hygienepflegekräfte wurde gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst ein Bachelor-Studiengang „Krankenhaushygiene“ an der Technischen Hochschule Mittelhessen aufgebaut. „Dieser steht ab 2012 vor allem auch praxiserfahrenen Pflegekräften offen“, so der Leiter des Studiengangs, Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Hans-Martin Seipp. Hygieneingenieure sollen in großen Krankenhäusern zum Einsatz kommen und für die technischen Bereiche mit Gefahren zur Infektionsverbreitung (zum Beispiel Zentrale Sterilgutversorgungsabteilung) zuständig sein. „Damit trägt Hessen als erstes Bundesland den wachsenden technischen Anforderungen in der Hygiene Rechnung“, so Seipp weiter.

Die Hessische Hygieneverordnung sieht weiterhin vor, dass stationäre Einrichtungen eine Hygienekommission bilden müssen. Der Hygienekommission gehören neben dem Krankenhausvorstand das Hygienefachpersonal des ärztlichen, pflegerischen und technischen Bereiches sowie weiteres Fachpersonal, zum Beispiel Mikrobiologen oder Apotheker, an. Aufgabe der Hygienekommission ist es unter anderem, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbindliche Hygienepläne festzulegen, welche die hygienischen Abläufe im jeweiligen Bereich der Einrichtung differenziert beschreiben. Außerdem soll die Hygienekommission Vorkehrungen treffen, um im Falle gehäuft auftretender Krankenhausinfektionen, insbesondere mit multiresistenten Erregern, die Weiterverbreitung zu verhindern.

Um darüber hinaus die Weiterverbreitung von Erregern zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen zu vermeiden, sieht die Hygieneverordnung vor, dass sich insbesondere die stationären Einrichtungen mit weiteren Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens (zum Beispiel Alten- und Pflegeheime) in den hessischen MRE-Netzwerken zusammenschließen. „Ziel der MRE-Netzwerke ist es, die Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen zu verhüten, die Behandlung und Rehabilitation von MRE-Patienten zu verbessern und einer Stigmatisierung von MRE-Patienten entgegen zu wirken. Alle Einrichtungen – stationär und ambulant – müssen mit Patientinnen und Patienten mit multiresistenten Erreger richtig umgehen und diesen eine adäquate Behandlung zukommen lassen“, erklärte Privat-Dozentin Dr. med. Dipl. oec. troph.

Ursel Heudorf, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes Frankfurt und fachliche Sprecherin des MRE-Netzwerkes Rhein-Main. „Mit der Teilnahme am MRE-Netzwerk Rhein-Main haben sich die Einrichtungen selbst verpflichtet, alle Patientinnen und Patienten mit bestimmten Risikofaktoren bei der Aufnahme auf multiresistente Erreger, vor allem MRSA, zu untersuchen (Screening) und bei positivem Befund Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung wie Isolierung oder Sanierung zu ergreifen. Die Netzwerke wiederum bieten dem medizinischen Personal, aber auch den Patienten und Betroffenen Informations- und Fortbildungsveranstaltungen und vielfältige weitere Unterstützung an. Nur Informierte können die erforderlichen Hygienemaßnahmen richtig umsetzen“, so Heudorf weiter. Hessen ist das erste Bundesland das eine flächendeckende Vernetzung der Einrichtungen vorsieht. Die Bildung der Netzwerke in vier Bereichen Hessens wird durch die Gesundheitsämter koordiniert.

Eine sektorenübergreifende Informationspflicht ist ein weiterer Bestandteil der Hessischen Hygieneverordnung: Die Einrichtungen sind verpflichtet, bei der Überweisung, Verlegung oder Entlassung der betroffenen Patientinnen und Patienten die jeweils aufnehmende Einrichtung oder den niedergelassene Arzt entsprechend zu informieren.

Hessen führt gleichzeitig mit der Hygieneverordnung eine Meldepflicht für bestimmte multiresistente Erreger ein, bei denen die Grenzen der therapeutischen Möglichkeiten erreicht sind und deren Auftreten als „hygienischer Notfall“ zu werten ist. Eine aktive Erfassung von infizierten oder besiedelten Patientinnen und Patienten wird als unbedingte Voraussetzung für die Kontrolle der Ausbreitung dieser Erreger angesehen. „Hessen trägt damit als bislang einziges Bundesland der weltweiten Zunahme dieser Erreger Rechnung“, betonte Sozialminister Grüttner.

Überwacht werden die Vorschriften durch die hessischen Gesundheitsämter im Rahmen regelmäßiger präventiver Begehungen entsprechend der Anforderungen des Bundesinfektionsschutzgesetzes. Die hessischen Aufsichtsbehörden haben Checklisten zur Überwachung der jeweiligen Einrichtungen erstellt, um einen vergleichbaren Standard der Untersuchung sicherzustellen.

Die Hessische Hygieneverordnung gilt für Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken sowie für Arztpraxen und Zahnarztpraxen. Diese Einrichtungen sind verpflichtet, die Regelungen der Hessischen Hygieneverordnung umzusetzen.

Hintergrund:

In Deutschland treten jährlich etwa 400.000 bis 600.000 im Krankenhaus und anderen medizinischen Einrichtungen erworbene Infektionen auf. Viele dieser Infektionen werden inzwischen durch multiresistente Erreger verursacht. Die zunehmende Häufigkeit dieser Erreger, zum Beispiel MRSA, führt zu verlängerter Behandlungsdauer, erhöhter Sterblichkeit und höheren Behandlungskosten. Daher sind Maßnahmen erforderlich, um das Auftreten von nosokomialen Infektionen, also Infektionen, die durch den Aufenthalt oder die Behandlung in einem Krankenhaus oder einer anderen medizinischen Einrichtung verursacht wurden, auf das unvermeidbare Minimum zu reduzieren.

Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel der im Krankenhaus und anderen medizinischen Einrichtungen erworbenen Infektionen vermeidbar ist, wenn die personellen und organisatorischen Voraussetzungen speziell im Bereich Hygiene gegeben sind und grundlegende Hygienestandards eingehalten werden. Patientinnen und Patienten sind insbesondere in den Bereichen gefährdet, wo Erreger leicht in den menschlichen Körper gelangen können, wie in chirurgischen oder intensivmedizinischen Abteilungen. Dort sind hygienische Maßnahmen besonders wichtig, um Risiken und insbesondere die Übertragung von Infektionen zu verhindern.

Mehr Informationen im Internet unter www.hsm.hessen.de, www.mre-rhein-main.de.

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